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Auf Augenhöhe

Foto: Anke Hohmeister

Linda ist 21 Jahre alt, in Neukölln aufgewachsen und seit letztem Jahr Fach-Abiturientin. Momentan sucht sie einen Ausbildungsplatz als Mediengestalterin. Sie ärgert sich über das gängige Klischee, dass viele Jugendliche nur faul vor dem PC rumhängen und sich nicht dafür interessieren, was um sie herum geschieht. Mit ihrem Engagement will sie zeigen, dass es auch anders geht.

2011 hast du in der „Kinderwelt am Feld“ eine Ausbildung zum Peer-Helper begonnen. Was macht die Arbeit eines Peer-Helpers genau aus?
Eigentlich geht es vor allem darum, dass Jüngere ihre Freizeit nicht auf die Straße, sondern in Kinder- und Jugendfreizeiteinrichtungen im Berliner Stadtteil Neukölln verbringen . Wir als Peer-Helper sind Ansprechpartner für die Kinder und begegnen ihnen auf Augenhöhe. Und wir führen und planen auch Projekte mit ihnen durch.

Was sind das zum Beispiel für Projekte?
Wir haben schonmal eine U18-Wahl als Projekt gehabt und mit den Kindern eine Sightseeing-Tour gemacht. Ansonsten können wir als Peer-Helper auch unsere Schwerpunkte mit in die Projekte einbringen. Ich bin zum Beispiel ein Medien-Peer-Helper und hatte in meiner Ausbildung spezielle Module zur Computerarbeit. Es gibt aber auch Sport- und Kreativitäts-Peer-Helper.

Wie kann man sich in Neukölln zum Peer-Helper ausbilden lassen?
Es gibt das Peer-Helper-Netzwerk vom Nachbarschaftsheim Neukölln, das mit verschiedenen Kinder- und Jugendfreizeiteinrichtungen zusammenarbeitet. Um ein Peer-Helper zu werden, muss man auf jeden Fall eine Ausbildung machen, in der man Grundsätzliches lernt zu Themen, wie Aufsichtspflicht, Mobbing und auch dazu, was man mit den Kindern machen darf und was nicht.

Was würdest du einem Kind empfehlen, das dir von Mobbing-Erfahrungen berichtet?
Wenn es um Internet-Mobbing geht, ist es extrem wichtig einen Screenshot zu machen. Man muss darauf achten, dass das Datum und die Uhrzeit mit drauf sind. Wenn das Kind noch nicht volljährig ist, müssen die Eltern den Zettel unterschreiben. Der kann dann der Polizei übergeben werden, weil Mobbing strafbar ist. Wenn das Mobbing in der Schule und nicht im Netz stattfindet, ist es schwieriger. Ich habe das selbst ungefähr acht Jahre lang erlebt und bin damals immer wieder zur Schulsozialarbeiterin gegangen. Die hat mir zwar Tipps gegeben, konnte mir aber nicht wirklich weiterhelfen. Letztlich ging es mir dann nach einem Schulwechsel besser.

Wie gehen die Kinder und Jugendlichen in der „Kinderwelt am Feld“ mit dem Thema Mobbing um?
Es kommt darauf an, was man unter Mobbing versteht. Man merkt schon, dass die Kinder ziemlich gemein zueinander sind. Da schreiten wir als Peer-Helper dann natürlich ein. Ansonsten haben wir in der „Kinderwelt am Feld“ einen Gruppenrat, wo wir uns immer Freitags treffen und verschiedene Themen und Probleme besprechen. Wir suchen dann immer gemeinsam mit den Kindern nach Lösungen, wie man etwas ändern und verbessern kann.

Du warst bis 2015 Medien-Peer und bist danach Junior-Honorarkraft in der Kinderwelt geworden. Zusätzlich zu diesem Engagement bist du seit Ende 2013 ehrenamtlich in der Jugendjury Neukölln. Was sind deine Aufgaben dort?
Mit Hilfe des Jugend-Demokratie-Fonds fördern wir als Jugendjury nachhaltige und gemeinnützige Projekte von Kinder- und Jugendeinrichtungen und von Schulen, die aus Neukölln kommen. Wir schauen die Anträge durch und prüfen, ob die Idee gemeinnützig und nachhaltig ist. Wenn uns da etwas auffällt, können wir die Projekte auch beraten, was sie noch besser machen können. Bei der eigentlichen Vergabesitzung moderieren wir dann. Im Anschluss gibt es eine Diskussionsrunde, bei der demokratisch abgestimmt wird, ob ein Projekt die Gelder bekommt oder nicht. Ich finde die Arbeit dort total schön, weil wir Kindern und Jugendlichen bei der Realisierung ihrer Projekte helfen können.

Hattest du Phasen, vielleicht besonders in der anstrengenden Abizeit, wo du an deinem ehrenamtlichen Engagement gezweifelt hast?
Eigentlich nie. Es war für mich ja keine Pflicht, sondern immer freiwillig. Ich hätte jederzeit sagen können, dass ich jetzt aufhöre. In der „Kinderwelt am Feld“ war es vielleicht mal anstrengend, weil meine kleineren Geschwister mitgemacht haben, mit denen ich ja eh schon permanent zu Hause zu tun habe. Ans Aufhören habe ich aber nie gedacht.

Was sagen eigentlich deine Eltern zu deinem Engagement?
Die finden es gut, dass ich schon, seitdem ich 12 bin, so selbstständig bin. Es heißt ja meistens, dass die Kinder nur noch faul vor ihrem Smartphone hängen und sonst gar nichts machen. Wir Kinder und Jugendliche, die sich engagieren, zeigen das Gegenteil!