Abeer, 44, erzählt in der Kiezzeitung „Donauwelle” von ihrer Arbeit als pädagogische Leiterin des Elterntreffs in der Rixdorfer Schule und ihren Erfahrungen im Corona-Lockdown.
Wie ist dein beruflicher Hintergrund?
In Syrien habe ich als Dozentin an einer Hochschule gearbeitet. 2014 musste ich mit meinem Mann und meinen Kindern wegen des Bürgerkriegs aus Homs fliehen und lebe seitdem in Berlin. Ich habe hier als Sprachvermittlerin in einer Flüchtlingsunterkunft gearbeitet, war Schulhelferin und Lernassistentin in Willkommensklassen. Momentan ist meine Hauptbeschäftigung die pädagogische Leitung des Elterntreffs in der Rixdorfer Grundschule.
Was erwartet die Eltern im Elterntreff?
Wichtig ist uns, dass die Eltern das Projekt aus ihren Erfahrungen heraus und unter Berücksichtigung ihrer kulturellen Wurzeln mitgestalten und wir nicht alles vorgeben. Jeder bringt das ein, was er gut kann. Ob Workshops zum Thema Nähen, Sticken, Herstellung orientalischer Gesichtsmasken, Vorträge von Fachleuten zu ADHS oder Friedenserziehung und das gemeinsame Feiern vom orientalischen Muttertag am 21. März – alles ist möglich!
Wie habt ihr den Elterntreff während des Lockdowns in der Corona-Pandemie organisiert?
Wir haben einen Notfallplan aufgestellt, der zwei Schwerpunkte hatte: Zum Einen die Unterstützung der Eltern und Kinder beim Homeschooling und zum Anderen Ideen für Freizeitaktivitäten zu Hause. Organisiert haben wir uns in dieser Zeit vor allem über die WhatsApp-Gruppe „Starke Eltern & Kinder“.
Welche Freizeitaktivitäten konntet ihr trotz Corona mit den Eltern machen?
Das war sehr vielfältig: Wir haben z.B. Basteleien, Sportübungen, Rezeptideen, Anleitungen zum freien kreativen Schreiben aber auch kleine Wettbewerbe, die die Eltern mit den Kindern machen können, umgesetzt. Es gab außerdem Lernspiele und Lehrvideos auf Arabisch, z.B. zum Thema Kindererziehung. Und nicht zu vergessen: die Sprachhilfe. Deutsch im Alltag kann man wunderbar auch über WhatsApp lernen – mit Hilfe des Sprachaufnahme-Tools.
Wie bewertest du für dich persönlich den Lockdown im Nachhinein?
Die Corona-Zeit hatte für mich mehr Vor- als Nachteile. Es gab mehr Zeit für Kreativität und mehr Zeit als Familie. In Hinblick auf die Schule ist ein positiver Aspekt, dass Eltern nun einen ganz anderen Einblick in die Lernprozesse der Kinder haben und auch in die Schularbeit im Allgemeinen.
Was wünscht du dir für die Kinder und Eltern im Donaukiez?
Meine Vision ist es, Vielfalt zu fördern und den interkulturellen Austausch zu verbessern. Für die Kinder wünsche ich mir, dass sie im Kiez mehr Unterstützung bekommen, vor allem nach der Schule. Es müsste also mehr außerschulische Einrichtungen geben und auch mehr nachbarschaftliche Aktionen und Initiativen. Das würde die Eltern entlasten und ihnen die Möglichkeit geben eigene Projekte umzusetzen. Durch meine Arbeit habe ich gemerkt, dass es essentiell ist, dass sich die Eltern vernetzen und eigeninitiativ tätig werden. Wer selbst ein Projekt oder einen Workshop macht, wird auch mit der deutschen Sprache vertrauter, was ein positiver Nebeneffekt ist.
Mehr Artikel und Interviews aus der Donauwelle vom 1. Juli 2020 findet ihr hier.
Die Donauwelle wurde im Rahmen des Projektes “Medienpädagogik im Donaukiez” erstellt. Gefördert durch die Bundesrepublik Deutschland und das Land Berlin im Rahmen der Zukunftsinitiative Stadtteil, Teilprogramm Sozialer Zusammenhalt.