Nicht nur ein Interview, sondern ein Perspektivwechsel: Inklusionsbotschafterin Alena Kühn spricht mit Marianne Writh, Bewohnerin und Rollator-Nutzerin, über Barrieren und Hilfsbereitschaft im Donaukiez.
Hallo Marianne, du wohnst seit über zehn Jahren im Donaukiez, wie barrierefrei findest du es hier?
Überhaupt nicht! Die hohen Bordsteinkanten und wenn man auf den Bürgersteig lang geht, die Radfahrer und alles drum herum. Die Leute sehen dich gar nicht richtig, die rennen einfach auf einen zu, wenn sie mit dem Handy spielen, ich finde das gar nicht gut.
Du nutzt einen Rollator, hast eine leichte Seh-Beeinträchtigung und bist teilweise auf einfache Sprache angewiesen. Auf welche Barrieren stößt du im Kiez?
Die Bürgersteige und die Baustellen. Du weißt gar nicht, wo du mit dem Rollator lang gehen sollst. Hier vorne, wenn man zur U-Bahn geht (Anm. d. Red.: Donaustraße Richtung U-Bahnhof Rathaus Neukölln) ist jetzt alles abgesperrt, dann muss man ein Stück weiter gehen, dass da du auf die andere Straßenseite gelangst und das ist alles blöd.
Und wie sieht es aus, wenn du zum Einkaufen gehst, kommst du gut in die Läden rein?
Ich fahr gerne zu Kaufland oder zu Aldi, weil da kann man mit dem Wagen durchfahren. Wenn ich zu Kaufland gehe, fahr ich einfach mit dem Fahrstuhl runter und fahr da einfach durch, weil alles eben ist.
Das heißt, du gehst in einem anderen Kiez einkaufen, weil es hier im Donaukiez gar nicht möglich ist?
Ja genau, das ist hier nicht möglich. Wenn man hier hoch geht zum Bus, da war auch ein Bäcker, den haben sie jetzt rausgenommen und jetzt, bei dem anderen Bäcker, da ist so ‘ne hohe Stufe, da hab’ ich immer Angst. Da komme ich ohne Hilfe nicht hoch und nicht runter.
Kommst du mit den Schildern hier in den Straßen und an den Lädentüren zurecht?
Ne, ich kann nicht lesen. Wenn ich allein bin, dann hab ich einen Mund zum Fragen, aber manche lassen einen einfach stehn. Das hatte ich auch schon: Da hab’ ich einen etwas gefragt und derjenige hat so getan, als ob er das gar nicht gehört hat und ist einfach so weiter gegangen.
Das heißt, du triffst auch immer mal wieder auf Barrieren im menschlichen Miteinander hier in der Nachbarschaft?
Ja, so ist das.
Was müsste passieren, damit der Donaukiez barrierefreier wird und du dich hier wohler fühlst?
Die Bürgersteige absenken. Wenn bei Schildern Bilder dabei wären, das wär’ gut! Und dass der Fahrstuhl am U-Bahnhof nicht immer kaputt ist. Und dass die Radfahrer nicht so auf dem Bürgersteig fahren. Dass die Menschen hier in der Nachbarschaft ein bißchen Rücksicht nehmen. Manche sind ja hilfsbereit, aber manche gehen auch schnur vorbei an einem. Aber ich hab immer gesagt, die kommen alle nochmal da hin, und fahrn mit dem Rollator und dann werden sie sehen, wie das so ist. Ich hab mir das auch nicht ausgesucht.
Dieser Beitrag ist am 13. Dezember 2020 in der Kiezzeitschrift Donauwelle 02/2020 erschienen, die im Rahmen des Projektes „Medienpädagogik im Donaukiez“ entstanden ist.