Unser Kiezgedächtnis Hans und Reni Babkuhl, Jahrgang 1936 und 1940, traf sich mit den Siebtklässlerinnen Ella und Trinity, um über ihre Vorstellungen von Schule damals und heute zu sprechen.
Interviews: Stefanie Battisti und Yael Parish
Tafel vs. Whiteboard
Trinity: “Wir stellen uns die Schule damals so vor, dass es Klassenräume mit grünen Tafeln gab und keine Whiteboards…”
Reni: “Was ist denn das?”
Ella: “Das sind Tafeln, auf die man mit Edding draufmalen kann…”
Trinity: “…und dazu gibt es einen Beamer.”
Hans: “Was ist denn ein Beamer?”
Ella: “Damit kann man was an die Wand beamen… Also früher gab es ja die kleinen Teile, wo man CDs reingelegt hat, und mit Licht was an die Wand gebeamt wurde…”
Hans: “Achso, ein Projektor!”
WIFI vs. RIAS
Reni: Wir hatten in mehreren Klassenzimmern Rundfunk. Wenn wir was Bestimmtes durchgenommen haben und es gab einen Schulfunk, dann wurde das eingeschaltet. Wir haben dann zugehört und hinterher einen Bericht darüber geschrieben. Der Schulfunk war von RIAS…
Hans: Rundfunk im Amerikanischen Sektor!
Foto: Übergabe der Radiogeräte für die Klassenräume (1950), @Museum Neukölln
Im Kreis gehen vs. Insta-Scrollen
Ella: “Wir haben auch einen Schulhof von früher aufgemalt, wo eine Prügelei stattfindet. Wir vermuten auch, dass früher Gummitwist gesprungen und mit einer Dose Fußball gespielt wurde.
Reni: “Das stimmt. Aber Seilspringen wurde auf dem Hof nicht gespielt, nur draußen auf der Straße.”
Hans: “Wir mussten in der Pause im Schulhof immer im Kreis gehen. Vorne die Mädels, hinten die Jungs, und in jedem Kreis ein Lehrer, der aufpasste, dass das ja nicht vermischt war! Immer im Kreis rum…
Ella: “Und habt ihr auch mal gewechselt? Mal in die oder in die andere Richtung?
Hans: “Ne, das durften wir nicht. Spaß hat es nicht gemacht, außer wenn man den davor mal geschubst hat…”
Reni: “…oder an den Zöpfen gezogen hat.”
Trinity: “In unserer Schulpause reden die meisten Kinder oder lästern über andere Leute…
Ella: “…oder sitzen am Handy oder spielen Fußball.
Trinity: “Aber wir spielen immer Verstecken.”
Reni: “Wo versteckt ihr euch denn da? So viele Möglichkeiten sieht man hier nicht.”
Ella: “Na ja, wir haben immer die gleichen Verstecke: gleich hinter der [……………………..] und hinter den beiden [……………………..].” [Anm. der Redaktion: Die Verstecke werden der Spannung wegen geheim gehalten]
Mobbing damals wie heute
Trinity: “Die Schüler*innen stellen wir uns damals schon netter vor und dass ihr nicht jeden Tag gemobbt wurdet.”
Hans: Also früher nach dem Krieg waren ja alle gleich, keiner hatte Geld. Da gab es Zusammenhalt. Der löste sich erst, als das Anfang der 50er Jahre mit dem Wirtschaftswunder anfing. Da ging es dann wieder los mit: “Was hast du denn für ne olle Hose an?”
Reni: “Und wenn man da nicht mitmachen konnte, war man sowieso unten durch.”
Hans: “Das mit dem Mobbing gab es immer schon… Davon kann euch meine Frau eine Menge erzählen.”
Reni: “Darunter hab’ ich selber zu leiden gehabt – reichlich!”
Renis Einschulung im Jahr 1946
Von Milchbrötchen bis Montagsnudeln
Trinity: “Wir stellen uns vor, dass es früher eine Cafeteria gab, wo es gesundes Essen gab, nicht so wie bei uns…”
Reni: Also in der Nachkriegszeit bekamen wir einmal pro Woche eine große Tasse Milch und ein Milchbrötchen. Das nannte man Schulspeisung.”
Ella: “Bei uns gibt es montags immer Nudeln. Deshalb bin ich da nicht angemeldet, weil ich keine Nudeln mag…
Herr und Frau Disziplin
Trinity: Also wir sprechen unsere Lehrer auch noch mit Herr und Frau an…
Ella: “Aber wenn wir ihren Vornamen herausfinden, dann machen wir oft Scherze und nennen sie dann beim Vornamen. Mit einigen Lehrern spielen wir auch mal “Snake”…
Hans: Bei uns war es so: Um 8 Uhr ging die Schule los, da waren die Türen offen. Um 3 Minuten nach 8 wurde die Tür zugeschlossen. Da kam keiner mehr rein. Man musste klingeln und es kam der Hausmeister, hat deinen Namen notiert und dann durftest du zur Klasse. Da gab es auch gleich einen Tadel. Dann ging es mit dem Kopfrechnen los. Wer die Aufgabe lösen konnte, durfte sich setzen…
Ella: “Das haben wir auch in Mathe gespielt, das ist toll!”
Trinity: “Das fand ich nicht so toll…”
Hans: Wir haben ja auch noch Prügel gekriegt- mit einem Stock! Deshalb hatte ich immer eine dicke Zeitung in der Hose…
Von der Dorfklasse bis zur JüL-Gruppe
Hans: Wir waren bestimmt so 40 Kinder in der Klasse…
Ella: Das mit der Klassengröße ist bei uns schwierig… Wir sind im JÜL, das heißt jahrgangsübergreifendes Lernen. Wir sind von der 7. bis zur 10. zusammen in einer Klasse.
Hans: Dann ist es so, wie es früher auf dem Dorf war… Alle Kinder in einer Klasse: die kleinen vorne, die mittleren in der Mitte und die älteren hinten.
Hans‘ Schulklasse: „Wir waren bestimmt so 40 Kinder in der Klasse…“
Stricktutorial
Ella: “Ich wollte mal stricken lernen, aber ich hatte kein Tutorial-Video…”
Hans: “Was heißt das?”
Ella: “Das ist ein Video, wo was erklärt wird…”
Hans: “Also ein Informationsfilm!”
Reni: “So was gab es damals nicht, uns hat das ja die Lehrerin gezeigt.”
Hans: “Diese Fremdwörter, die heutzutage rumschwirren… Da denkt man oft: Was meinen die denn damit?”
Dieser Beitrag ist zum ersten Mal am 28. Juni 2024 in der Donauwelle 09 erschienen. Die Donauwelle wurde im Rahmen des Projektes „Donaukiez macht Medien“ erstellt. Dieses Projekt wird gefördert durch die Bundesrepublik Deutschland und das Land Berlin im Rahmen des Städtebauförderprogramms Sozialer Zusammenhalt – Zusammenleben im Quartier gemeinsam gestalten.