Donauwelle 9, Kiezredaktion der Donauwelle
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„Inhalt sehr gut, der Schrift wegen mangelhaft“

Unser Kiezgedächtnis, Hans und Reni Babkuhl, berichten für die Kiezzeitung Donauwelle aus ihrer Schulzeit.

Hans (links, mit Freund) und Reni (rechts) bei ihrer Einschulung.

Ich (Hans) wurde 1942 eingeschult und das war zur Zeit des Krieges und der Bombenangriffe. Infolge der Bombardierungen wurden wir nach Ostpreußen aufs Land evakuiert, dort gingen wir zur Schule, aber das war ganz anders. In Berlin schrieben wir schon vom erster Tag mit Feder und Tinte. Die Hefte sahen ja auch danach aus. Wir lernten zuerst die Sütwerlein Schrift. Und auf dem Land in Ostpreußen die Lateinische Schrift so wie wir sie heute noch schreiben. Das Problem war nur, hier mußten wir auf Schiefertafeln schreiben und die Dorfjugend fing die Berliner ab und löschten mit dem Lappen die Hausaufgaben, und schon gab es wieder etwas auf den Hosenboden. Ich hatte immer eine dicke Zeitung in der Hose, damit war alles zu ertragen.

Hans‘ Klassenfoto

Inhalt sehr gut, der Schrift wegen aber mangelhaft.“

Dann wurde eines Tages das Dorf von Partisanen überfallen und es kam eine große SS-Aktion. Einige junge Männer wurden gefangen genommen und lebendig an den Füßen an einem Baum aufgehängt… Nun wurden wir nach Schlesien geschickt, in die Nähe von Breslau und da waren wir bis zum Kriegsende. Der Schulalltag begann jetzt ganz anders. Wenn der Lehrer die Klasse betrat, mussten wir alle stehen und dann begann der Unterricht mit Kopfrechnen. Er rief eine Aufgabe in den Raum und wer das Ergebnis wusste, konnte sich setzen. Dadurch haben wir das Kopfrechnen ganz toll gelernt. Wir mussten das kleine und das große Einmaleins vorwärts und rückwärts beherrschen. Es macht mir heute noch nach über siebzig Jahren mächtigen Spaß, wenn ich an der Kasse im Supermarkt das Geld passend gebe. Die Augen der Kassiererin sind immer erstaunt. Ich hatte immer schon gerne geschrieben, aber in meinen Aufsätzen stand immer Inhalt sehr gut, der Schrift wegen aber mangelhaft.

Wenn Ihr aber denkt, dass das Mobbing eine Erfindung der heutigen Zeit ist, so irrt ihr euch gewaltig

Das gab es schon immer. Davon kann euch meine Frau eine Menge erzählen. Sie wurde immer schon von Ihren Mitschülerinnen gemobbt. Und da sie sich nicht zu wehren wusste, war es ganz schlimm. Und das hat Ihr Leben geprägt. Sie denkt immer, dass sie nichts wert ist, und dass sie minderwertig ist. Aber das stimmt natürlich nicht, denn man kann mit Ihr über alles Reden. Da kann sich mancher eine Scheibe abschneiden. 

Renis Klassenfoto

Ich kann nur sagen, dass wir in der Schule doch eine Menge gelernt haben, ohne Taschenrechner, Smartphone und PC. Wir können auch richtig schreiben und rechnen, wenn es auch nicht wie heute Mathematik heißt. Wir sind auch bei den Lehrpersonen angenommen worden, denn wir konnten ja das, was wir für den Beruf brauchten. Bei uns mussten die Lehrlinge nicht zum Nachhilfeunterricht gehen, weil sie nicht rechnen und schreiben konnten.

Hans und Reni Babkuhl, März 2024

Reni und Hans Babkuhl im Archiv des Museum Neukölln @Stefanie Battisti


Die Donauwelle wurde im Rahmen des Projektes „Donaukiez macht Medien“ erstellt. Dieses Projekt wird gefördert durch die Bundesrepublik Deutschland und das Land Berlin im Rahmen des Städtebauförderprogramms Sozialer Zusammenhalt – Zusammenleben im Quartier gemeinsam gestalten.

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