Alle Artikel in: Donauwelle 11

Unsere Schule, unsere Sprachen

Die Rixdorfer Grundschule hat ihre Schüler*innen gefragt, welche Sprachen sie – und ihre Familien – sprechen. Herausgekommen ist ein beeindruckendes Mosaik der Mehrsprachigkeit im Donaukiez. Gesammelt von Marie de Vazelhes, Text von Stefanie Battisti An der Rixdorfer Grundschule hat der Elternförderverein kürzlich eine Umfrage zur Mehrsprachigkeit in allen Klassen initiiert. Gefragt wurde nach den Sprachen der Kinder, ihrer Eltern und Großeltern. Die Motivation: Eine Übersicht darüber zu bekommen, welche Sprachen an der Schule vertreten sind und ein positives Bewusstsein für die kulturelle Vielfalt zu schaffen. Insgesamt beteiligten sich 90 Prozent der gesamten Schülerschaft*. Die Ergebnisse zeigen, wie bunt und vielsprachig der Donaukiez ist: Insgesamt wurden 29 verschiedene Sprachen genannt! 323 von insgesamt 364 Schüler*innen nahmen an der Umfrage teil. Die Angaben basieren auf Selbsteinschätzungen der Kinder. Dialekte und Erst-/Zweitsprache wurden daher oft uneinheitlich angegeben. Alle 29 Sprachen an der Rixdorfer Grundschule laut Angaben der Schüler*innen: Deutsch 97  (Selbsteinschätzung) / davon zumindest ein deutschsprachiger Elternteil: 49 Arabisch 91 (Syrisch, Palästinensisch, Jemenitisch, Marokkanisch, Tunesisch, Ägyptisch, Libanesisch) Türkisch 88  Albanisch 29 (Mazedonisch, Kosovarisch) Rumänisch oder Romani 23 Englisch …

Weniger Müll, mehr Miteinander

Wie aus einer Diskussion im Nachbarschafts-Chat eine Kiez-Initiative wurde – ein persönlicher Bericht und eine Einladung zum Mitmachen. von Jonathan Klein & Mounir Zahran Wir leben sehr gerne im Donaukiez. Für uns steht er für das Beste am Großstadtleben: Freiheit, Vielfalt, Lebendigkeit. Doch wir erleben auch Schattenseiten: soziale Spannungen, Gleichgültigkeit, Anonymität – besonders spürbar in der zunehmenden Vermüllung. Sie ist für uns sichtbarer Ausdruck dieser Probleme und verstärkt sie zugleich. In unserem Kiez-Telegram-Chat zeigte sich: Viele sind frustriert, aber auch bereit, etwas zu verändern. Einige meldeten Missstände per Ordnungsamt-App – nicht immer mit der erhofften Wirkung. Andere sprachen mit BSR-Teams, die selbst frustriert sind. Hinter vorgehaltener Hand erzählen sie, unser Kiez sei längst aufgegeben worden. Ein Leserbrief von einem aus unserer Runde brachte Bewegung: Der Tagesspiegel berichtete*, und daraufhin reinigte ein Sondertrupp endlich mal gründlich die Straßen, das erste Mal seit Monaten. Andere begannen, regelmäßige Clean-Ups auf der Sonnenallee zu organisieren. So entstand ein Schatz an Erfahrungen – aber die Aktionen blieben vereinzelt. Deshalb haben wir eine Kiez-Initiative gegründet: Wir wollen uns vernetzen, Wissen bündeln …

Zusammenhalten gegen den Kahlschlag

Berlin spart sich kaputt. Das trifft auch viele Projekte im Donaukiez. Das Q*ube in der Schönstedtstraße hat sich gewehrt, vorerst erfolgreich. Ein Gespräch mit den drei Mitarbeiter*innen Katharina , Leonie und Nancy.  von Claire Horst Was ist das Q*ube? Das Q*ube ist ein Jugendclub für queere* Jugendliche und ihre Freund*innen zwischen 12 und 27 Jahren. Hier gibt es offene Angebote wie Kochen, Sport, Reisen und z. B. trans*-Beratung und psychosoziale Beratung. Die meisten Jugendlichen kommen fast jeden Tag. Viele kommen eher aus prekären Verhältnissen. Sie beschreiben das Q*ube als ihr Wohnzimmer, und so fühlt es sich auch an: Sie kommen rein und schauen, was im Kühlschrank ist.  *queer: Selbstbezeichnung von Menschen, die z. B. lesbisch, schwul, bi oder trans* sind Machen sie den Kühlschrank auf, weil sie sich wie zu Hause fühlen, oder weil sie Hunger haben? Beides. In manchen Haushalten gibt es tatsächlich aufgrund von Armut nicht genug. Einige nehmen sich auch was mit, nicht nur Schokoriegel, sondern auch Gemüse oder Aufstriche. Was würde fehlen, wenn es euch nicht mehr geben würde? Das haben …

„Parole“ bieten im Donaukiez

1934 formierte sich rund um Hellmut Bock im Donaukiez eine sozialdemokratische Widerstandsgruppe. Mit ihrer Untergrundzeitung „Parole“ trotzte sie dem NS-Regime. von Eric Friedewald Sommer 1934. Die Nationalsozialisten sind seit über einem Jahr an der Macht. In einer Eckkneipe im Donaukiez entdeckst du auf der Toilette eine Zeitung – die “Parole”. Mit Neugier, aber auch Unbehagen blätterst du durch. Die Beiträge zeichnen ein ganz anderes Bild der politischen und gesellschaftlichen Lage, als du es an jeder Ecke von der NS-Propaganda hörst. Du willst sie weitergeben, doch wem kannst du trauen? Und was, wenn man dich erwischt? Die Widerstandsgruppe “Parole” brachte zwischen April und September 1934 mehrere Ausgaben der gleichnamigen Untergrundschrift heraus. Dafür fanden sich rund 100 Sozialdemokrat*innen rund um den Buchdrucker Hellmut Bock zusammen. Der 27-Jährige wohnte in der Fuldastraße 55, dort, wo sich noch heute die Idealpassage befindet. Geschrieben wurde die Zeitung in Zusammenarbeit mit den Kommunist*innen der KPD. Gedruckt wurde in der jetzigen Sonnenallee 122 und 34. Dort ist heute die Konditorei Damaskus, die in den letzten Jahren wiederholt zum Ziel rechtsextremer Angriffe wurde.  …

Wir machen Community!

Drei lokale Initiativen zeigen, wie Gemeinschaft im Donaukiez entsteht – durch Engagement für unsere Umwelt, Verkehrssicherheit und soziale Teilhabe. – von Benedikt Stipp und Stefanie Battisti Give Something Back to Berlin eröffnet einen neuen Begegnungsraum Seit über 10 Jahren schafft Give Something Back to Berlin (GSBTB) Begegnungsorte zwischen Migrant*innen, Geflüchteten und Locals. 2024 haben über 15.000 Teilnehmende und 2.000 Freiwillige mitgemacht. Am 10. Juli eröffnet der Verein einen neuen Raum in der Donaustraße – von der Community für die Community. Die Vision: ein Ort, an dem sich alle willkommen fühlen und mitgestalten können – unabhängig von Herkunft, Sprache oder Erfahrung. Hier finden in Zukunft kostenlose Angebote statt: Kochen, Yoga, Musik, Sprachangebote und mehr. Mitmachen ist einfach: vorbeikommen, da sein, sich einbringen! Am 10. Juli feiert der Raum seine Eröffnung! Give Something Back to Berlin, Donaustraße 15www.gsbtb.org Hind-Rajab-Platz Clean-Up Community  The initiative doesn’t like to wait for BSR and officials – they take the matter in their own hand: The garbage at their beloved Arabische Straße (Sonnenallee). Since the beginning of this year, they meet on a …

Gemeinschaftsinsel und “Lonely Ghosts” 

Auf der “Insel der Gemeinschaft” geht es nicht nur um Zusammenhalt. Verschiedene Perspektiven auf das Phänomen Einsamkeit in unserem Kiez.                                                       – zusammengetragen aus der Kiezredaktion, illustriert von Irit Mogilevsky Die Insel der Gemeinschaft von Irit Dies ist eine Karte einer imaginären Insel, auf der eine Gemeinschaft in Harmonie zusammenlebt. Sie feiern das Leben, stellen sich gemeinsam Herausforderungen und wachsen daran. Die Insel ist nicht isoliert/offen – Menschen verlassen sie, neue kommen dazu, auf der Suche nach einem besseren Leben. Ich wünschte, wir alle hätten eine solche Karte – für die Momente, in denen wir uns allein, verwirrt oder verängstigt fühlen. Denn gemeinsam sind wir stärker, klüger, kreativer. Als kleine Nachbarschaft können wir zwar keine globalen Krisen stoppen, aber wir können uns organisieren und dafür sorgen, dass niemand zurückgelassen wird.  Einsamkeit und mentale Gesundheit von Stefanie  Einsamkeit ist mehr als ein individuelles Gefühl – sie ist ein ernstzunehmendes Gesundheitsrisiko. …

Whiteness und der unsichtbare Müll

Was für manche einfach nur Müll ist, erzählt für andere von Ungleichheit, Verdrängung, Protest – und einem Blick, der lieber wegschaut als hinhört. Beobachtungen eines Kiezdenkers. – von Oğuzhan Danışmanoğlu Müll im Kiez? Altbekanntes Thema… Aber hinter diesem Müllthema verbirgt sich eigentlich ein viel tieferes Phänomen – verschiedene Formen von Whiteness. „Whiteness“ meint, dass weiße, meist christliche Europäer – oft Männer – über viele Jahrhunderte in vielen Bereichen wie Politik, Wirtschaft oder Kultur den Ton angegeben haben. Aber ich spreche bewusst von „Whitenesses“ im Plural. Denn es geht nicht nur um Hautfarbe, sondern um eine Haltung, die sich durch verschiedene Menschengruppen zieht – ob europäisch oder orientalisch. Diese Haltung lautet: Müll soll produziert werden, aber gefälligst unsichtbar sein. Mich hat am meisten diese Schnittstelle zwischen Müll und Whiteness interessiert. Ich konnte nicht aufhören, darüber nachzudenken. Woher kommt all der sogenannte Dreck – und warum wird er, durch einen White-Filter betrachtet, so eng und moralisch bewertet?Ich sag gleich vorweg: Das hier ist keine Botschaft für gut gemeinte Beiträge aus der Machtperspektive. Ja, es liegt viel im …

Mit dem Wohlstand kam der Neid…

Von der Nachkriegszeit bis zur Pandemie: Hans Babkuhl (87) erinnert sich, wie der Zusammenhalt im Kiez immer dann stark war, wenn es darauf ankam. – Hans Babkuhl In schwierigen Zeiten halten die Menschen oft besser zusammen. Wenn es ihnen aber gut geht, scheint dieser Zusammenhalt schnell wieder zu bröckeln. Wenn ich an die Zeit während des Nationalsozialismus denke, fällt mir vor allem mein Vater ein. Er war überzeugter Sozialdemokrat und aktiver Gewerkschafter, außerdem Vorsitzender eines Sportvereins. Heute würde man sagen: Er war gut vernetzt. Die Arbeitersportbewegung wurde von den Nazis verboten, aber die alten Kumpel hielten trotzdem zusammen. Ich weiß, dass mein Vater mit anderen Menschen geholfen hat, die dem Regime nicht genehm waren – sie wurden über verschiedene Kanäle außer Landes gebracht. Ich erinnere mich an einen Nachbarn im Haus, der nicht in die „Ahnengalerie“ passte, wie man damals sagte – plötzlich war er weg. Kurz darauf stand in unserer Wohnung ein großes Radio, das ich als Kind immer bewundert hatte. Damit konnte man alle Sender empfangen, sogar Radio London, dessen Hören unter Todesstrafe …

Stimmen aus dem Donaukiez

Bei der Kiez-Rallye haben wir die Nachbarschaft gefragt, was Zusammenhalt für sie bedeutet – und wie sie das Miteinander im Donaukiez erleben. gesammelt von Yael Parish, Stefanie Battisti und Irit Mogilevsky Zusammenhalt bedeutet Zusammensein und nicht miteinander streiten.  – Riza und Samuel, Rixdorfer Grundschüler Pauline: Zusammenhalt ist, wenn nicht jeder sein eigenes Ding macht. So was wie die Kiez-Rallye ist schon Gemeinschaft.  Edith: Hier in Neukölln kennen sich sehr viele auf der Straße. Auch das ist Gemeinschaft! Hanna: Man sollte immer freundlich miteinander umgehen. Es macht den Tag einfach schöner, dass Leute einem Hallo sagen oder man beachtet wird.    Faro: Wenn jeder dem anderen hilft und Rücksicht aufeinander nimmt, dann hat man eine gute Zeit hier im Kiez. Raphaele: Wir haben zum Beispiel eine etwas ältere Nachbarin. Wenn die was braucht, dann meldet sie sich bei uns. Und umgekehrt kann ich sie im Notfall auch mal um Hilfe mit den Kindern bitten. Für mich bedeutet Zusammenhalt: Wenn jemand in Schwierigkeiten ist, ihm zu helfen – sei es mit Geld oder mit guten Worten. – …

Zusammenhalt!

Die erste Redaktionssitzung zu dieser Ausgabe fand kurz nach den Bundestagswahlen statt. Schnell fanden wir gemeinsame Anliegen: Krisen und Kriege, lokale und globale Katastrophen nehmen uns alle ganz schön mit. Wir fragten uns: Was kann uns stärken, wie behalten wir unsere Kraft? Die Antwort war bei uns allen die gleiche: Unsere Superpowers sind Solidarität und Gemeinschaft. In diesem Heft findet ihr aktuelle und historische Beispiele dafür, wie wir gemeinsam etwas bewegen können – auch dann, wenn die Meinungen so weit auseinandergehen wie beim Dauerbrenner Müll. „Do it yourself“ war gestern – jetzt heißt es: Do it together! Our first editorial meeting for this issue took place shortly after the elections. It didn’t take long for us to find common ground: crises and wars, local and global catastrophes – all of it is weighing heavily on us. We asked ourselves: what gives us strength? How do we keep going? For all of us, the answer was the same: our superpowers are solidarity and community. In this issue, you’ll find both current and historical examples of how …