Kiezredaktion der Donauwelle

Kreatives Schreiben im Kiezgarten

In einem offenen Schreib-Workshop zum Thema „Generationen” haben wir verschiedene kreative Übungen ausprobiert. Wir haben geschrieben, vorgelesen und vor allem viel gelacht. Manche der Texte könnt ihr hier lesen.

geleitet wurde der Workshop von Claire Horst

In der Ferne wohnt sie, die mir nah ist. Verbunden, verstritten, gekämpft, geliebt. Irgendwie ein Vorbild, ihr sturer Kopf, den ich immer bewundere, der gleiche, den ich auch an meiner Mutter bewundere. Der Kopf der Mutter, der Kopf der Schwester, mein Kopf. Alle stur. Und irgendwie verbunden. Trotz der Ferne.
Yuli

Es piekt in meiner Handfläche, wenn ich die Gurke anfasse. Ich bürste die kleinen Stacheln ab, Danach legen wir sie in große Gläser ein. Mit Senfkörnern, Zwiebeln und gießen sie mit Tunke auf, die du bei der Tankstelle gekauft hast.
Caro

Eine Person, aus meiner Familie, die ich mag, heißt Elian. Elian ist neu und hat frische Augen auf die Welt. Ein unbeschriebenes Blatt Papier. Jeden Tag neue Zeilen auf seiner Seele. Ich wünsche ihm, dass liebevolle Worte seine Welt berühren.
Josi

Das Ständchen vor der Bescherung war ziemlich schrill. Ich lag da eingepackt in bunt-knisterndem Papier unter dem Weihnachtsbaum und hörte ganz gespannt zu. Die Mutter wollte unbedingt, dass Hanae die Blockflöte spielt. Stefan wollte immer direkt singen und du warst total aufgedreht, Weißt du noch: Ihr habt euch gestritten. Und dann doch gesungen, oh Tannenbaum. Und ich wartete gespannt in dem bunt-knisternden Papier, wollte wissen, wer du bist, Dann war es so weit, das Glöckchen klingelte und deine kleinen aufgeregten Finger befreiten mich knisternd aus dem Papier. Deine Augen leuchteten. Meine Augen leuchteten. Du nahmst mich in die Hand und von da an nahmst du mich überall hin mit. Unsere Haut, unser Haar – ähnlich. Ähnlicher als die anderen um uns herum. Ich spürte, dass ich für dich etwas ganz Besonderes war. Als wir einmal nachts durch die Wiesen und Gärten und Straßen liefen, passierte es. Ich fiel ganz tief und prallte hart auf dem Boden auf. Ich sah deine erschrockenen Augen und erschrak selbst. Du nahmst mich in deine kleinen Hände und deine Tränen trafen mich wie Regentropfen. Ich schaute hinunter und da lag es. Mein Bein.
Yuli

Du bestehst aus zwei rosa Halbkugeln, verbunden durch ein dünnes, biegsames, schwarzes Plastikrohr, und einem Kabel. Jeden Abend schalte ich dich an. Bis zu meinem sechsten Geburtstag im ersten Stock im gemeinsamen Zimmer mit meinem Bruder. Dann auf dem winzigen Dachboden mit den zwei Schrägen, auf den man durch die Luke im Boden gelangt. Du leuchtest als ich meinen Bruder mit Windpocken infiziere, weil wir nur mit Licht in einem Bett einschlafen können. Du leuchtest, als ich auf repeat Britney Spears – Stronger höre, während ich Harry Potter lese. Du leuchtest, als ich schon gern woanders einschlafen möchte. Zuletzt habe ich dich im Vorbeigehen auf dem Schreibtisch meines Vaters gesehen.
Caro

Der Hase. Ich weiß nicht mehr, ob ich dir einen Namen gegeben hatte. Irgendwann warst du einfach da und hast jede Nacht in meinem Bett geschlafen. Ich habe dir erzählt, was mich bewegt. Und Bewegung gab es viel. Du hast mich in den Arm genommen, du warst fast menschengroß. Ich habe mir vorgestellt, dass du mein Freund bist. Ich habe dir irgendwann mal gesagt, dass wenn ich mal einen echten Freund habe, er genauso sein muss wie du. Du sagst mir, du wirst immer da sein, wirst mich halten, immer ehrlich sein, mich beschützen, mir zuhören. Ich habe diesen Freund, der so ist wie du, nie gefunden. Heute weiß ich, dass ich diesen Freund nicht suchen brauche, sondern selbst dieser Freund bin.
Josi

Es war der Sommer
in dem der Hamster starb
Sie wurde frommer
und der Hamster kam ins Grab

Der Hamster war tot
die Nachbarin hatte ihn bewacht
Das Kind war in Not
und die Nachbarin hat hoffentlich nicht gelacht

Bewahrt von der Nachbarin
wie erging es dem lieben Tier?
Was steckte in dem Futter drin?
Der Hamster aß es wohl mit Gier

Gierig aß der Hamster auf
Es war der Sommer
Es nahm die Tragödie ihren Lauf
Und der Hamster kam ins Grab
Yuli

Es war im Sommer irgendwann
beim Kinderarzt in Waldgraf
als er wissen wollte, was ich kann
und ob ich zur Schule gehen darf

Beim Kinderarzt in Waldgraf
wurde getestet, ob ich schlau sei
der Kinderarzt in Waldgraf

Ob ich denn schlau genug sei, fragte er und grinste
Für die erste Klasse in Alzey
und Mutter durch die Türe linste

Er fragte mich und grinste
Wie Vati wohl die Mutti nenne
er wunderte sich und grinste
Meine Mutti, die heißt süße Henne
Josi

Bei ihr fühl ich mich wohl
Wir aßen so oft Rosenkohl
Bei ihr fühl ich mich wohl
Wir aßen so oft Rosenkohl

Wir haben so oft Rosenkohl gegessen
Aber von deinem Gesundheitskuchen war ich wie besessen
Wir haben so oft Rosenkohl gegessen
Aber von deinem Gesundheitskuchen war ich wie besessen

Von deinem Gesundheitskuchen war ich wie besessen
Am Türrahmen hast du meine Körpergröße gemessen
Von deinem Gesundheitskuchen war ich wie besessen
Am Türrahmen hast du meine Körpergröße gemessen

Am Türrahmen hast du meine Körpergröße gemessen
Bei dir fühl ich mich wohl
Am Türrahmen hast du meine Körpergröße gemessen
Bei dir fühl ich mich wohl
Caro

Caro hat diesen Text auch vertont:

Mehr von Caro könnt ihr auf der Webseite ihrer Band hören: https://www.grobundfett.rocks/


Dieser Beitrag erschien verkürzt in der 5. Ausgabe der Donauwelle im Juni 2022. Die Donauwelle wurde im Rahmen des Projektes „Donaukiez macht Medien“ erstellt. Gefördert durch die Bundesrepublik Deutschland und das Land Berlin im Rahmen der Zukunftsinitiative Stadtteil, Teilprogramm Sozialer Zusammenhalt.